Der Spion von Aalen
Zu der Zeit, als Aalen noch eine freie Reichsstadt war, hatte sie einmal Streit mit ihrem Oberherrn, dem deutschen Kaiser. Der Kaiser kam mit einem Kriegsheer herangezogen, die Stadt zu belagern. Da beschlossen die Aalener, einen pfiffigen Bürger aus ihrer Mitte zu erwählen und als Spion auszusenden, damit er Stärke und Vorhaben des kaiserlichen Heeres auskundschafte. Sie fanden auch bald den rechten, und der Mann begab sich geradewegs in das Lager der Feinde.
Er wurde von den Wachleuten abgefangen und vor den Kaiser und seine Feldobersten geführt. Ehrerbietigst zog der Aalener seinen Hut und sprach: "Grüß Gott Ihr Herre!" Der Kaiser fragte ihn, wer er sei und was er im Lager wolle. Seinem Auftrag getreu und seiner Sache gewiß, antwortete der Wackere: "Erschrecket fein nur net, ihr hohe Herre, i bin bloß der Spion von Aale und möcht` euer Lager ein wenig besehen und auskundschaften, wieviel Kanonen und Musketen und sonstig Kriegszeug ihr habt." Da lachte der Kaiser und sein Gefolge über den einfältigen Aalener Spion und gestattete ihm freundlich, durchs Lager zu gehen und auszukundschaften, was er seiner Vaterstadt zu melden für wichtig halte. "I dank euch auch, ihr Herre!" sagte der Mann zum Abschied und machte sich wieder davon, Aalen zu. Der Kaiser aber zog mit seinem Heere wieder ab, weil er einer Stadt, die so pfiffige und mutige Bürger in ihren Mauern hatte, keinen Schaden zufügen wollte.
Aus Dankbarkeit und zum dauernden Gedenken setzten die Aalener ihrem Spion ein Denkmal: An der Rathausuhr wurde er lebensgetreu nachgebildet; mit dem Perpendikel dreht er zugleich seinen Kopf hin und her und schneidet Grimassen dazu. Und das tut er bis zum heutigen Tag, zu Spaß und Freude der Aalener Bürger und aller Besucher ihres Städtleins.
Sagen und Schwänke der Schwäbischen Alb